Ich war vor Kurzem im Park und sah eine Mutter, die ihr Kleinkind auf einem Plastikdreirad schob. Aus der Ferne betrachtet war es ziemlich hässlich.
Ich erinnerte mich aber auch gleichzeitig, dass ich auch so etwas haben wollte. Ich hatte es mir aber untersagt, weil wir schon ein Dreirad hatten. Und ein Laufrad. Und ein Poposchieber. Und ein Billig-Fahrzeug-in-komischer-Form aus dem Möbelhaus. Und eine Rutschmaus (oder Elefant?). Natürlich auch einen Roller, einen Kinderwagen und einen Buggy.
Habe ich das alles gebraucht? Ja, natürlich! Denn mit jedem Teil habe ich mir gesagt, wie gut ich für mein Kind sorge, welche Förderung das alles ist, wie viel einfacher es damit ist und vor allem, dass die anderen das ja auch alles haben und mein Kind nicht nachstehen soll.
Durchgeknallt? Aber hallo!
Aber so leben wir. Wir wollen immer noch mehr. Es gibt dieses Loch, von dem wir denken, wir könnten es mit Gegenständen füllen.
Vielleicht sind es bei dir keine Kinderfahrzeuge. Wie viele Nagellacke hast du? Oder Turnschuhe? Taschen? Tupperdosen? Küchengadgets?
Die Frage ist, warum versuchen wir dieses Loch mit Gegenständen zu füllen? Was ist das für eine Leere, die wie ein riesiges schwarzes Loch H&M-Pakete verspeist und niemals satt ist?
Bis vor Kurzem war es bei mir so, dass ich es zeitweise klein halten konnte. Doch nach einer Weile, wenn ich nichts mehr gekauft habe, fiel es mich plötzlich von hinten an und schrie, HABEN! HABEN! HABEN!
Die Argumente waren auch gut. Es ist nicht so teuer. Es ist hübsch. Es macht mich glücklich. Es wird so gut zu x und y passen. Es könnte eine Belohnung sein, dafür, dass ich XYZ gemacht haben – und Belohnungen sind doch wichtig.
Erst als ich mir angeschaut habe, was dahintersteckt, hat es aufgehört.
Aber wer genau schreit da eigentlich in uns?
Welcher Anteil will immer haben?
Ist es ein Seelenanteil, der als Kind niemals haben durfte?
Ist es ein Seelenanteil, der immer mit Dingen abgespeist wurde, statt in den Arm genommen zu werden?
Ist es ein Seelenanteil, der es nicht aushält, zu warten?
Ist es ein Seelenanteil, der alles sofort haben muss, weil er so oft übersehen wurde?
Wer schreit da in dir? Welches Bedürfnis nimmst du nicht wahr, sondern deckelst es mit Materiellen?
Schau dich einmal in unserer Gesellschaft um. Siehst du, wie unglücklich die Menschen sind und sich mit Materiellem trösten? Wie viele versuchen, ihre Verletzungen mit Gegenständen zu heilen?
Ich habe lange Zeit dazugehört (oder gehöre ich immer noch dazu und meine Abstinenzphase ist nur länger geworden?)
Mittlerweile merke ich es, wenn ich Dinge kaufen will, obwohl etwas Tieferes darunter verborgen ist. Dann nutze ich den Hinweis und schaue, welcher Teil von mir da gerade reagiert und warum. Allein das Anerkennen, dass hier gerade eine Kompensationshandlung stattfindet, hilft schon ungemein.
Wenn du möchtest, kannst du dann deinen Seelenanteil einfach mal in den Arm nehmen und mit ihm besprechen, was eigentlich gerade los ist. Vielleicht findest du dann eine andere Möglichkeit und musst nichts mehr kaufen, um die Leere zu stopfen.
Heimlich träume ich davon, dass wir alle unsere Verletzungen bewusst wahrnehmen und heilen. Wenn wir sie in uns lösen und nicht mehr auf andere projizieren, wären wir einer gerechten und friedlichen Welt deutlich näher.
Bis es so weit ist, heile ich meine Verletzungen, damit meine Kinder sind nicht ertragen und übernehmen müssen.
Machst du mit? Hilfst du mir, diese Welt in unserem engen, eigenen Kreis besser werden zu lassen?
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