Aufsparitis

Stickerbücher oder die Krux des Aufsparens

Wir waren ein paar Tage in Südtirol und ein Stickerbuch hat mir einiges klar werden lassen: Ich leide unter Aufsparitis.

Doch von Anfang an.

Schon länger achten wir darauf, dass wir immer Malbücher oder Beschäftigungshefte für die Kinder dabei haben, wenn wir zum Essen gehen. Durch die Beschäftigung damit sind sie Vorzeigekinder und wir können in Ruhe essen.

Also bin ich auch diesmal vor der Abfahrt los und wollte Bücher holen. Meine Tochter war dabei und hat sich in ein Stickerbuch verliebt, dass richtig teuer war. Für

mein Gefühl völlig überteuert. Allerdings war es ein Doppelband und ich debattierte mit mir (schließlich habe ich kein Problem einen einfachen Band zum

halben Preis zu kaufen, warum dann also nicht zwei zum doppelten Preis?).

Schließlich willigte ich ein und hatte einen Plan. Sie sollten das Buch nur zum Abendessen bekommen, damit die Begeisterung hoch bleibt, es ja etwas Besonderes (und teuer!). Abends im Restaurant ging der Plan auf. Sie stickerten mit Hingabe und wir aßen in Ruhe. Ich war zufrieden mit mir (yeah, Supermama, ich habe alles im Griff!)

Doch am nächsten Morgen stellte ich fest, dass sie weiterstickerten.

Und bis zum Nachmittag hatten sie fast das Buch durch!

Anstatt wie von mir geplant nur zu besonderen Anlässen (in dem Fall im Restaurant) das Buch zu bearbeiten, es sich quasi aufzuheben, stickerten sie einfach, wie es ihnen passte. Aus Spaß! Zum Zeitvertreib! Gegen meinen Zeitplan!


Morgens, mittags, abends – sobald ein Zeitfenster da war, wurde gestickert. Am zweiten Abend war das Buch voll – und es sollte doch für 4 Tage halten.

Falls du dich jetzt fragst, warum ich sie habe machen lassen: während sie im Stickerbuch beschäftigt waren, habe ich in der Sonne gesessen. Ich habe mich zwei Stunden mit meinem Mann unterhalten – ohne unterbrochen zu werden. Im Liegestuhl habe ich meditiert und in Ruhe Kaffee getrunken. Kurz gesagt, ich habe einfach mal die Ruhe genossen, die als Mutter nicht immer vorhanden ist.

Am dritten Tag sind wir losgezogen und haben neue Stickerbücher geholt. Die wieder voller Hingabe bearbeitet worden sind.

Was mir in diesen Tagen klar geworden ist: meine Kinder leben im Moment. Sie heben sich nicht etwas für später auf. Sie teilen sich nicht ein, wann sie wie viel machen, um noch etwas übrigzuhaben.

Im Internet kursiert immer wieder die Geschichte von der Frau, die starb und der Mann entdeckt dann die wunderschöne Unterwäsche, die sie sich für einen besonderen Moment aufsparen wollte. Doch der kam nie, denn nichts war besonders genug.

Ein Verhalten, dass ich von mir kenne. Ich habe so viele Sachen, die hübsch sind – so hübsch, dass ich sie nicht verwenden möchte. Irgendwo habe ich sogar noch

einen Bleistift aus meiner Grundschulzeit, den ich nie angespitzt habe – denn das hätte ja das schöne Blumenmuster zerstört. Ich spare Dinge auf, die dann vergessen im Schrank liegen. Zu schade, um benutzt zu werden oder aufgespart für den besonderen Augenblick.

Ich kenne jemand mit ganz tollen Pralinen im Kühlschrank. Wenn es mal etwas zu feiern gibt – leider sind sie jetzt abgelaufen und müssen weggeschmissen werden.

Durch das Aufsparen und Nichtbenutzen verschwenden wir aber diese Sache.

Ich spare es auf, weil ich es will, keiner anderen es haben soll und irgendwann kommt schon der Moment, in dem ich es brauchen kann.

Wenn ich aber ganz realistisch bin, ist das ein ziemliches Mangeldenken. Ich nutze die Sache nicht, um mir oder jemand anderen eine Freude zu machen. Zusätzlich bewerte ich Situationen als ‚nicht gut genug‘ für diese Dinge.

Ich habe noch ein Beispiel (wenn ich super darüber nachdenke, fallen wir mir zig weitere Beispiele ein). Wir haben einen kleinen Abroller mit gemustertem Tesafilm. Wunderhübsch. Ich habe ihn letzte Woche aus dem Kinderzimmer geholt und versteckt – die Kinder benutzen ihn einfach so! Ohne besonderen Anlass! Jetzt steht er bei mir oben im Regal und wartet auf den besonderen Anlass. Vielleicht packe ich ja damit die Weihnachtsgeschenke ein? Was aber, wenn er dann leer ist? Wenn für mich nichts mehr übrigbleibt, um – ja für was eigentlich?

Ich habe gemerkt, dass ich da ein ziemlich großes Aufsparungsproblem habe! Aber ich kann dir auch sagen, dass ich schon etwas geändert habe: mit dem tollen Tesafilm habe ich mir ein Kinderbild an den Schrank gehängt! Einfach so! Nichts Besonderes, nur weil es hübsch ist.

Hast du auch tolle Sache, die du nicht verwendest? Etwas, das dir zu schade ist? Was kannst du heute verwenden – ohne Grund, einfach so?

Mein Plan für diese Woche: ich suche mir alles zusammen, was ich mir aufgespart habe und verwende es. Einfach so ohne Grund! Machst du mit?

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